Der Zustand des Sheikhs Muhyiddin ibn al-‘Arabi sowie
eine kurze Biografie aus Imam Ibn ‘Abidins Buch Futuhati Ilahiyya
Der eigentliche Text [al-Matn]
Über den Zustand des größten aller Sheikhs [Sheikh al-Akbar], Muhyiddin Ibn al-‘Arabi (Allah subhanahu wa ta’ala soll uns aus ihm Nutzen ziehen lassen):
Im Maruzat des Sheikhulislams Abusuud wird erwähnt, man hätte ihn eines Tages gefragt: „Einige Worte in Sheikh Muhyiddin ibn al-‘Arabis ‚Fususul al-Hikam‘ sind unvereinbar mit der Scharia‘. Was
bedeuten die Aussagen?“ „Er schrieb das Werk, um jene fehlzuleiten, die nach ihm kommen sollten. Wer diese Bücher liest, gilt als abgefallen [vom Glauben].“ Was ist es, was mit solch einer Person
getan werden muss?“ Sheikhulislam Abusuud antwortete: „Ja, es gibt einige mit der Scharia‘ unvereinbare Aussagen in seinem Buch. Einige wandten den Ta’wil (metaphorische Deutung) an, um diese
Aussagen mit der Scharia‘ zu vereinbaren. Wir jedoch wissen mit voller Gewissheit [Yaqin], dass einige dieser unvereinbaren Aussagen von einigen Juden erdichtet wurden. So ist es Wadjib, diese
Aussagen, die unvereinbar sind, nicht mehr zu lesen.
Als der Schreiber des Qamus, Fayruzbadi, über Sheikh Muhyiddin ibn al-‘Arabi befragt wurde, lobte und pries er ihn, erläuterte [Tafsir] und deutete [Ta‘wil] seine klaren und sicheren Wörter und
sprach: „O Allah! Die Aqidah dieses größten aller Sheikhs, mit der er Allah subhanahu wa ta’ala anbetete und mit der Du wohlgefällig bist - gebe sie uns ein, auf dass wir sie ebenfalls
sprechen!
Muhyiddin ibn al-‘Arabi ist der Sheikh der Tariqah aus Sicht des Wissens und der Zustände [Hal]. Er ist offiziell und auch wahrhaftig der Imam der vollkommenen, perfekten, der arbab al-haqaiq und
ashab al-daqaiq. Er ist eine große Persönlichkeit, welche die zerstörte Kenntnis über Allah [marifah] mit seinen Taten, Werken, Übungen und Erziehungen wiederherstellte. Wenn die Gedanken [Fiqir]
der Gelehrten an einer Seite seines uferlosen Meeres an Wissen ankommen, dann tauchen ihre Gedanken dort ein und verbleiben verwirrt. Sheikh al-Akbar ist solch ein Fluss, wenn man Eimer voller
Schmutz in ihn schütten würde, so würde es an seiner Vollkommenheit und seinem Segen nichts verringern. Sheikh al-Akbar ist eine Wolke, welche die den Sternen gleichenden Gelehrte seiner Zeit
verdeckt. Sie können nicht mit ihm zusammen auftreten und dabei Ruhm ernten. Eine ehrenvolle Persönlichkeit, deren Du‘a die sieben Himmel überschritt, deren Segen den Osten und Westen füllte und
deren Du‘a akzeptiert war. Ich beschreibe diese Person, die Quelle des Wissens und der Weisheit, die Sammelstelle der Karamat und Tugenden, mit schönen Eigenschaften und Taten, welche hoch
angesehen sind. Jedoch ist es so, dass ich mit Gewissheit weiß, dass diese Person weit höher ist, als meine Beschreibungen jemals reichen könnten. Ich bin unfähig darin, ihn wahrhaftig zu
beschreiben. Dass die Beschreibungen über ihn, die ich vornahm, richtig sind, wird dadurch bestätigt, dass seine Taten gemäß seinen Worten waren.
Ich habe ihn nicht mit meinem Gutdünken loben und preisen können, wie es ihm gebührt.
So lang ich sage, was ich selbst glaube, trage ich keine Schuld. Höre nicht auf die Wörter des Unwissenden, der den Wert, die Stufe und die Ehre des Sheikh al-Akbar nicht kennt und denkt, er sei
einer von denen, welche die Scharia‘ übertreten hätten! Messe seinen Worten keine Beachtung bei!
Ich schwöre bei Allah und dem, den Allah gesandt hat, damit er ein Beweis für Ihn sei sallallahu ‘alayhi wa sallam: „Ohne Zweifel, was ich erwähnte, ist nur ein Teil des Lobes über Sheikh
al-Akbar. Denn wie sehr man ihn auch lobt, er verdient es.“
Der Grund, weshalb ich so viele Lobpreisungen über Scheich al-Akbar aufliste, ist, dass ich befürchte, für mich selbst nicht genüge getan zu haben, denn solch eine tugendhafte Person mit nur
wenigen Worten der Tugend und Perfektion zu loben, wäre ein mangelhaftes Verhalten.
Der Schreiber von Qamus fährt fort mit dem Lob: „Eine der Besonderheiten der Bücher des Sheikh al-Akbar ist, dass derjenige, der sie liest, einen Verstand bekommt, mit dem er sogar die schwersten
Angelegenheiten leicht lösen kann."
Auch Imam Scharani lobte und pries Sheikh al-Akbar in seinem Werk „Tanbihul Aghbiya ala Qatratin min bahiri ulumil Awliya.“
Die Erläuterung des Textes [al-Scharch]
„Sheikh Muhyiddin ibn al-‘Arabi...“ Muhyiddin ibn al-‘Arabi (560-637 n.H.) kam in Spanien, Mursiyya, zur Zeit des Sultans der Muwahidun, Abu Yusuf Yakub (560), zur Welt.
Schon in sehr jungen Jahren ging er gemeinsam mit seiner Familie nach Ischbiliyya und nahm dort seine ersten Unterrichte. Er lernte gemäß den damaligen Unterrichtsarten den Quran auswendig und
studierte Tafsir, Ahadith und Fiqh.
Ibn al-‘Arabi gehört zu dem berühmten arabischen Stamm der Tayyi. Auch wenn man über seine nahen Verwandten nicht viel Wissen hat, so weiß man dennoch, dass es achtbare und bedeutende
Persönlichkeiten väterlicherseits und mütterlicherseits gab.
Unter seinen Verwandten gab es welche, die Wissen über Tasawwuf trugen. Er selbst war gemäß seiner eigenen Aussage jemand, der die Stufe des Qutb im Tasawwuf erreichte.
Sein Onkel mütterlicherseits, Abu Muslim al-Khalwani, war von den großen der Qutbs. Ein anderer Onkel, auch mütterlicherseits, Yahya b. Yaan, war das Oberhaupt der Stadt Talamsan. Ibnul Arabi
zufolge beendetet er aufgrund des Einflusses eines Sheikhs namens Abu Abdullah al-Tusi seine Regierungsarbeit und folgte dem Weg des Tasawwuf.
Seiner eigenen Aussage zufolge war er mit den Führenden der Regierung befreundet und besonders mit dem Philosophen Ibn Rushd.
Ibn al-‘Arabi begab sich während seiner Studien für einige Zeit in die Einsamkeit. Auf jedem Gebiet, speziell im Bereich des Tasawwuf, ohne zuvor darüber etwas gelernt oder ein Buch darüber
gelesen zu haben, eignete er sich das Wissen über viele Dinge durch Mukaschafa [Entschleierung] an. Daraufhin verließ er die Einsamkeit.
Ibn al-‘Arabi ging, nachdem er einige Zeit lang in Andalusien war, auf Wanderung und erreichte Damaskus, Bagdad und Makkah. Er traf dort die bekannten Gelehrten und Sheikhs und zog viel Nutzen
aus ihnen.
Für einige Zeit ging er nach Konya und wurde vom seldschukischen Sultan respektiert und heiratete dort die verwitwete Mutter Sadruddin Konawis.
Daraufhin kehrte er wieder nach Damaskus zurück und starb dort im Jahre 637.
Nafahat al-Uns zufolge schrieb einer der Gelehrten aus Bagdad ein Buch über Muhyiddin und sagte darin, dass er mehr als 500 Bücher verfasst habe.
Einige der uns erhalten geblieben Werken des Muhyiddin al-‘Arabis sind:
1. Futuhat-i Makkiyya
2. Kitabu'l-Isra ilâ Makâmi'l-Asrâ
3. Fusûsu'l-Hikam
4. Muhadaratu'l-Abrâr wa Musâmaratu'l-Ahyâr
5. Kalâmu'l-Abâdila
6. Tâdschu'r-Rasail wa Minhâdschu'l-Wasail
7. Mawâkiu'n-Nudschûm wa Matali Ahillatu'l-Asrâr wal Ulûm
8. Rûhu'l-Kuds fi Munasahâti'n-Nafs
9. Kitabu'l-Asfâr
10. Al-Isfar al-Natâidschi'l-Asfâr
11. Diwan
12. Tardschamânu'l-Aschwak
13. Kitabu Hidâyati'l-abdâl.
14. Kitabusch Schawâhid.
15. Kitabu'l-Bâ.
„Wir wissen mit absoluter Gewissheit...“ Die Gewissheit Sheikhulislam Abusuuds, dass die mit der Scharia unvereinbaren Wörter von den Juden Muhyiddin ibn al-‘Arabi hinzugedichtet wurden, besteht
entweder darin, dass er einen festen Beweis hat oder weil der Grund für den Ausspruch dieser Dinge seitens des Sheikh al-Akbars unbekannt ist oder der Ta’wil dieser Worte unmöglich ist. So wird
angenommen, dass diese Aussagen Sheikh al-Akbar fälschlicherweise zugeschrieben werden.
Denn es ist ja auch so, dass diejenigen, die Imam Scharani nicht mochten, seinen Büchern einige Aussagen hinzufügten, die nicht mit der Scharia‘ vereinbar sind und verleumdeten somit Imam
Scharani.
Daraufhin versammelte Imam Scharani die Gelehrten seiner Zeit und zeigte ihnen seine Originale. Daraufhin sah man, dass diese Wörter in den Originalen nicht existierten. Jene, die Erklärungen für
die Worte des Sheikh al-Akbar haben wollen, sollten das Buch Abdulghani Nablusis‚ Ar Raddul Matin ala Muntakisil Arifin Muhyiddin“ zu Rate ziehen.
„So ist es Wadjib, diese nicht zu lesen...“ Wenn man feststellt, dass diese Aussagen von Sheikh al-Akbar nur Verleumdungen ihm gegenüber sind, dann ist es sowieso Wadjib, diese nicht zu
lesen.
Wenn es nicht sicher ist, dass es Verleumdungen sind, dann wird nicht jeder verstehen, was Muhyiddin al-‘Arabi sagt oder noch schlimmer, sie werden seine Worte ablehnen. Deswegen ist das Meiden
dieser Aussagen in diesem Falle ebenfalls Wadjib.
Imam Suyuti sagt in seinem Werk ‚Tanbihul gabi bi tabriat Ibni Arabi‘ Folgendes: „Bezüglich Muhyiddin ibn al-‘Arabi teilen sich die Gelehrten in zwei Lager. Die einen sagen, dass er ein Wali ist,
die anderen behaupten das Gegenteil. Für mich gibt es einen Weg, der für beide Gruppen nicht zufriedenstellend ist: Daran zu glauben, das Muhyiddin ibn al-‘Arabi ein Wali ist, aber dass das Lesen
seiner Bücher Haram ist.“
Von Muhyiddin ibn al-‘Arabi wird überliefert: „Solch eine Gruppe sind wir, dass für jene, die nicht mit uns sind, das Lesen unserer Bücher Haram ist.“
Denn die Sufis haben sich untereinander über ein bestimmtes Wort und seine Bedeutung geeinigt und meinten mit diesen Dingen nicht das, was die Fuqaha darunter verstehen. Wer die Aussagen dieser
mit den Bedeutungen der Fuqaha erläutert, wird ein Kafir.
Imam Ghazali sagt in manchen seiner Bücher: „Einige Wörter der (Ahlu Tasawwuf) Sufis gleichen Wörter wie ‚Yad‘, ‚‘Ayn‘ und ‚Istiwa‘ und anderen Mutashabihat aus dem Quran und den Ahadith.“
Wenn es bestätigt ist, dass ein Buch Muhyiddin ibn al-‘Arabi gehört, so muss ebenfalls bestätigt werden, dass nicht einige Wörter von einem Irregeleiteten, Ungläubigen oder Erneuerer hinzugefügt
wurden oder dass damit die Bedeutungen unter den Sufis gemeint sind. Dies zu wissen ist jedoch nicht möglich. Jemand, der sagt, dass er dies weiß, wird Kafir. Denn dies ist etwas, was nur Allah
subhanahu wa ta’ala allein wissen kann, da dieses Wissen versteckt ist in den Herzen.
Einer von den großen Gelehrten fragte einen der großen Sufis: „Was ist es, das euch dazu motiviert, Wörter zu benutzen, deren äußere Bedeutung abgelehnt werden muss und euch darin zu
einigen?“
Der Sufi antwortet: „Wer diese Fachwörter nicht kennt, soll sich nicht mit der Tariqah in Verbindung bringen und wer sich nicht auskennt, soll nicht in die Tariqah eintreten. Wer sich nicht damit
auskennt, soll unsere Bücher nicht lesen. Wenn derjenige, der unsere Bücher liest, schwach darin ist, das äußere Wissen zu sammeln, so wird er irregeleitet und wird andere irreleiten. Wenn
derjenige, der unsere Bücher liest, jedoch ein ‘Arif ist, so ist er nicht jemand, der zu den nur Büchern lesenden Turuq gehört und nimmt nicht das Wissen aus den Büchern.“
Imam Suyuti sagt an anderer Stelle in seinem Buch: „Der Faqih und der Gelehrte Izzuddin b. ‘Abdussalam sprach über Muhyiddin ibn al-‘Arabi und bezeichnete ihn als Irregeleiteten.
Eines Tages sagten seine Freunde zu ihm: „Wir wollen, dass du uns einen Qutb zeigst.“ Er deutete dann auf Muhyiddin ibn al-‘Arabi. Darauf sagten seine Freunde: „Einmal sagst du, er ist
irregeleitet und jetzt sagst du, er ist der Qutb? Wie geht das?“ Daraufhin sagte Izzuddin b. ‘Abdussalam: „Indem ich ihn als irregeleitet bezeichne, bewahre ich die Scharia‘. Indem ich ihn Qutb
nennen, spreche ich aber die Haqiqa.“
Der Muhaqqiq Sheikhulislam Ibn Kamal Paschazade lobt in seiner Fatwa Muhyiddin ibn al-‘Arabi und sagt: „Fusus al-Hikam und Futuhat al-Makkiya gehören zu seinen Werken. Einige Themen in diesen
Büchern scheinen Allah Ta‘alas Befehl und der Sunnah des Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam zu widersprechen. Die Leute des Dhahir können dieses nicht verstehen. Nur die Leute des Batin und
Kashf [also jene im Tasawwuf Vertieften] können es verstehen. Es ist Wadjib, dass diejenigen schweigen, die es nicht verstehen. Denn Allahu Ta’ala gebietet: „Und verfolge nicht das, wovon du
keine Kenntnis hast. Wahrlich, das Ohr und das Auge und das Herz - sie alle sollen zur Rechenschaft gezogen werden.“ [17;36]
„Muhyiddin ibn al-‘Arabi ist der Sheikh der Tariqah aus Sicht des Wissens und der Zustände [Hal]....“
Tariqah: Ein Weg, der auf dem Wunsch nach dem Erreichen Allah Ta’alas basiert, indem man verschiedene Stufen erreicht und verschiedene Standorte überschreitet.
Für Ahlu Haqq ist Zustand [Hal]: Rein durch Allahs Beschenkung auftretende Gefühle der Freude, Trauer, Bedrängnis, Erleichterung usw. Dies sind keine Dinge, die der Mensch einfach so in die Hand
bekommt. Sie kommen von Haqq subhanahu in das Herz.
Maqam: Damit ist der spirituelle Standort gemeint, den der Wanderer zu Allah nach einer bestimmten Anstrengung erreicht.
‘Ilm: Besteht aus einem festen Glauben, welcher gemäß der Wahrheit ist.
„Arbab al-haqaiq...“ Haqiqa besteht aus dem Erfassen der Geheimnisse Allahs subhanahu wa ta’ala mit dem Herzen. Haqiqa ist ein spirituelles Geheimnis, welches keine Grenzen und keine Richtung
hat. Scharia‘, Tariqah und Haqiqa sind eine Bekundung. Es gibt einmal das Äußere und das Innere des Weges zu Allah. Das Äußere ist Scharia und Tariqah. Das Innere jedoch ist Haqiqah.So wie die
Butter in der Milch versteckt ist, so ist in der Scharia‘ und in der Tariqah die Haqiqa versteckt.Ohne die Milch zu mischen, bekommt man keine Butter. Das Ziel von Scharia‘,Tariqah und Haqiqah
ist es, dass der Diener auf perfekte Art und Weise seine Aufgaben erfüllen kann.
Imam Muhammad al-Munawi (rahimahullah), auch ein Lehrer von Imam An-Nawawi (rahimahullah), sagte über Sheikh al-Akbar Ibn Arabi (quddisa sirruhu) mit den lobenden Worten "einer der
rechtschaffenden Freunde Allahs (Awliyahullah) und ein (wahrhaftig) vertrauenswürdiger Rechtsgelehrter des Wissen (waliyyun salihun wa alimun nasih), von Imam Imad al-Hanbali (rahimahullah) ist
der folgende Ausspruch überliefert, dass er über Ibn Arabi (quddisa sirruhu) sagte, "er (Ibn Arabi) ist ein absoluter Mujtahid (al mutlaq) "